Die Taiji-Qigong-Szene im Umbruch

Es rumort wieder gewaltig in der bundesdeutschen Qigong-Taijiquan-Szene. Viele Übende in der Community sind verunsichert und ratlos. Doch diesmal ist es nicht das typische Hick-Hack" zwischen zersplitterten Gruppierungen und Flügeln in den Organisationen. Anders als der übliche "ganz normale Wahnsinn" erregen sich nun die Gemüter grundsätzlich über Sinn und Zweck von Lehrer-Ausbildungen. Die Debatten erfolgen vor dem Hintergrund schwindender Glaubwürdigkeit und Autorität. Das frühere Szene-Narrativ, zu einer ganz besonderen Gruppe zu gehören und "höchsten Taiji-Prinzipien" zu folgen, erfährt unter vielen Praktizierenden eine gewisse Ernüchterung.

Das Festhalten an rückwärts-gewandten traditionellen Anschauungen und Wertvorstellungen schadet dem Image - und könnte sich für viele jetzt rächen. DTB-Geschäftsführer Dr. Langhoff hat erklärt, warum man den eng-gefaßten Szene-Lehrplänen die inneren Potenziale nicht ausschöpfen kann. Auch das Publikwerden der zahlreichen Täuschungen und Tricksereien angeblicher "Qigong-Meister" ist dem Ansehen nicht gerade förderlich. Auch Aufrufe übereifriger "Szene-Sherrifs" zur "Vernetzung mit Mobrule-Spin", gemeinsamen Front-Machen gegenüber unliebsamen Anbietern könnten zum Verlust der Szene-Reputation beigetragen haben.

Verbände-Report zum Status Quo

Es ist an der Zeit, sich neu aufzustellen und auf dem Anbieter-Markt neue Positionen zu sichern. Dies gilt insbesondere für diejenigen Institute und Lehrenden, die in der Weiterbildung tätig sind. Viele wurden aufgeschreckt durch den unüberhörbaren Weckruf des Krankenkassenverbands Vdek. Er hat nicht nur verschärfte Qualitätsstandards für künftige Kursleitende vorgeschrieben sondern zugleich die Fach-Organisationen der Szene aus dem ZPP-Leitfaden gestrichen. Der Eindruck: Hier hat jemand eine "heiße Kartoffel fallen gelassen" und allzu kreativ-künstlerischen Weltsichten einen empfindlichen Dämpfer versetzt.

Besonders schmerzlich muß diese Degradierung diejenigen Vereinigungen treffen, die sich ein Selbstverständnis als "Szene-Protagonisten" oder "Szene-Vertretung" aufbauen und in der Öffentlichkeit als solche wahrgenommen werden wollten. Dazu zählt der DTB den Deutschen Dachverband für Qigong und Taijiquan (DDQT), die Deutsche Qigong Gesellschaft und das Taijiquan-Qigong-Netzwerk BVTQ. Zu leiden haben natürlich auch all die Autoren, die in "Fach-Journalen" und "Fachzeitschriften" als Szene-Influencer fungieren und mit ihren Beiträgen beitragen zur Verbreitung phantasievoller, aber wissenschaftlich haltloser Esoterik-Folklore.

Modernes Berufsbild / Lehrerprofil statt "traditioneller Ausbildung"

Diese neue Vdek-Ausrichtung von Aus- und Fortbildung an den Normen westlicher Gesundheitsbildung hatte der Deutsche Taichi-Bund - Dachverband für Taichi und Qigong (DTB) seit langem empfohlen und mit seinem Curriculum des Richtig Lernens und Lehrens praktisch vorgelebt. Diese Vorreiter-Rolle des Verbandes und seiner Partner-Institutionen unterstützen jetzt die Krankenkassen, indem sie ein Scoring-Modell einsetzen, wie es der DTB seit seiner Gründung im Jahre 1996 erfolgreich nutzt. Vorarbeiten hatte bereits Dr. Johann Bölts / Uni Oldenburg und die DAK-Prüf-Kommission beigesteuert.

In der Lehrerschaft muß sich nun jeder Einzelne für oder gegen das neue geforderte Lehrerbild / Berufsprofil entscheiden. So ist es auch nicht überraschend, daß der DTB-Zentralverband aus der Szene heraus häufig um Hilfestellung gebeten wird bei Problemen mit der ZPP-Zulassung. Dazu zählt u. a. bezeichnenderweise auch ein ehemaliges Vorstandsmitglied des Lobbyisten-Verbands DDQT. Bezeichnend auch deswegen, weil ja andere Vorsitzende wie Nils Klug (Hannover) und Detlef Klossow (Düsseldorf) ihr "Anbieter-Bashing" im Rahmen der DDQT-Medienarbeit auf "Dauerärgernis Langhoff" und "Omnipräsenz" ausgerichtet hatten.